Full text: Evangelisches Schulblatt - 51.1907 (51)

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I. Abteilung. Abhandlungen. 
Schöne, das Richtige ihres Tuns; es treibt ihn zur Nacheiferung an, während 
schlechte Taten, namentlich wenn sie im Religionsunterricht in das rechte Licht 
gestellt werden, ihm die Häßlichkeit der Laster, der Untugend zeigen und ihn vor 
solchen zurückschrecken. Wir wissen ja aus eigener Erfahrung, wie das Kind mit 
den Personen der biblischen Geschichte sowohl wie mit denen anderer Erzählungen und 
des täglichen Lebens fühlt, hofft; wie es die Faust ballt, wenn ihnen grobes Un 
recht geschieht, wie es sich freut, wenn das Gute endlich siegt (Joseph). Hat so 
der Zögling durch die biblische Geschichte die richtige Erkenntnis von dem Heils 
gang und damit auch von der Heilslehre erlangt, und besitzt er auch den Drang, 
selbst danach zu leben, so hat der Religionsunterricht seinen Zweck erfüllt. Ge 
lingt es aber nicht, die Betrachtung des inneren Lebens der biblischen und über 
haupt der vorbildlichen Personen zu dem persönlichen Leben des Zöglings in Be 
ziehung zu setzen, läßt dieses ihn kalt, dann ist die Behandlung der biblischen 
Geschichte verlorene Mühe gewesen; sie hat ihren Zweck verfehlt, auch wenn 
die Kinder diese noch so gut „auswendig können". 
Das an den vorbildlichen Personen zu zeigende sittlich-religiöse Leben ist 
also für den Unterricht stets das erste, die daraus zu ziehende Lehre das zweite. 
Dieses Verhältnis wird aber umgekehrt, wenn man vom Katechismustext aus 
geht. Jmmermehr bricht sich heute die Ansicht Bahn, daß der Katechismus 
nicht Ausgangspunkt sein kann. Schon Luther hat dies empfunden, wenn er 
schreibt: „Nicht aus Büchern soll der Katechumen religiöse Erkenntnis und Leben 
schöpfen, sondern durch die Bekanntmachung mit Gott geheiligten Personen; 
so war es bereits in den ältesten Zeiten. Wenn Gott einem Volke hat 
helfen wollen, so hat er's nicht mit Büchern getan, sondern er hat 
einen Mann erweckt, einen Richter, Propheten, König." — „Der Katechis 
mus," *) sogt Staude, „ist hervorgewachsen aus zahllosen wirklichen, sittlich-reli 
giösen Erfahrungen und besteht in der Umprägung derselben in die festesten, 
mächtigsten und dauerhaftesten Gebilde, in Begriffe. Darum kann der Gehalt des 
Katechismus — wenn anders er eine erziehende Macht ausüben soll — unterricht- 
lich nur in der Weise dem Schüler vermittelt werden, daß der Unterricht an 
näherungsweise dieselben Erfahrungen und Anschauungen zu erzeugen sucht, aus 
denen jene allgemeinen Begriffe und Überzeugungen entstanden sind. Den hierzu 
erforderlichen Anschauungsstoff bietet einerseits die biblische Geschichte, an die sich 
natürlich alles andere von den historischen Unterrichtsfächern dargebotene Material 
anschließt, andererseits die persönliche Lebenserfahrung des Zöglings. Die sittlich 
religiösen Erfahrungen aber, die das Kind die Personen der heiligen Geschichte 
machen sieht oder im Umgänge mit ihnen selbst macht, sollen durch die Kunst 
und den Geist des Unterrichts dem Kinde in einer Weise nahe gebracht werden, 
0 In den acht Schuljahren von Rein u. a.
	        
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